Dienstag, 22. November 2011

Wieder 16

Eine Woche später mache ich mich wieder auf den Weg zu Herr Schussel.
Ich bin etwas zu früh dran und laufe durch das Schulgebäude. Wie es der Zufall so will begegne ich Frau Schmidt. Ich gehe mit ihr in ein Vorbereitungszimmer und sie fertigt Kopien an. Sie bereitet gerade eine Weiterbildung vor. Einige andere Kollegen müssen sich in das Fach Deutsch einarbeiten (weil die Deutschlehrer fehlen) und verzweifeln daran.
Daher darf Frau Schmidt jetzt ihre Kollegen dabei unterstützen.
Wir unterhalten uns ein wenig, dann muss sie leider los.
Es klingelt zum Ende der Stunde. Schüler laufen aus dem Zimmer von Frau Herz. Ich stell mich in die Tür. Frau Herz schaut durch das Zimmer und entdeckt mich.
„Na Hallo Susi-q!“ Sie freut sich mich zu sehen.
Wir reden übers Studium. Sie erzählt mir von ihrer Studienzeit.
Ich begleite sie zum Lehrerzimmer und erzähle ihr von meinem Praktikum.
„Frau Herz, gestern hatte ich meine erste Vertretungsstunde!“
„Und? Wie war’s?“
„Naja, ich war in einer 6. Klasse und ich dachte, da sind die ja noch klein, süß und lieb…“
Frau Herz bricht in Lachen aus. Ich weiß, ich bin naiv.
„Und jetzt sind sie nur noch „und“?“, fragt sie mich immer noch lachend.
„Mmh.“ Es ist ein bisschen deprimierend.
„Und dabei war es nur die Hälfte der Klasse!“
Wieder lacht sie. Ich würde mich gerne noch stundenlang mit Frau Herz unterhalten, aber langsam muss ich los.

Kurze Zeit später mache ich mich auf den Weg zu Herrn Schussel, dem alten Erpresser. Ich betrete das Zimmer, die anderen Schüler sind schon da und besetzen die letzten Reihen. Herr Schussel steht hinter dem Lehrerpult und kramt in seinen Unterlagen. Ich stelle meine Tasche auf einen Tisch. Herr Schussel schaut mich an und fängt an zu lächeln. Er scheint sich wirklich zu freuen mich zu sehen.
Kurze Zeit später experimentiere ich mit Richard und der kleinen Teufelin. Mein Lieblingsexperiment: Der Ammoniak-Springbrunnen mit Luminolreaktion. Der leuchtet im Dunkeln. Sieht einfach klasse aus. Zufällig standen im Schrank im Vorbereitungszimmer noch die Lösungen, die ich vor einem Jahr angefertigt habe. Ich erkläre Richard die Reaktion und er führt das Experiment durch. Er macht das toll.

Eine Stunde später geht die Tür auf: und Angel beehrte uns mit ihrer Anwesenheit. Ich bin so froh, dass sie hergekommen ist. Seit diesem Zeitpunkt gab es keine Minute mehr, in der wir beide nicht gelacht haben. Wir hatten nur Blödsinn im Kopf und super viel Spaß.
Ich habe mich wieder gefühlt wie 16. =) Das hat mir richtig gut getan.
Das Ganze ist schon ein paar Wochen her und ich habe die Hälfte schon wieder vergessen.
Irgendwann sind die Schüler gegangen und Herr Schussel hat uns alleine im Zimmer gelassen. – Böser Fehler! ;-)
Zuerst haben wir etwas aufgeräumt, aber dann hat uns irgendwie eine sinnvolle Beschäftigung gefehlt und wir haben nur Quatsch gemacht. Angel schnappte sich ein Stück Kreide und schrieb an die Tafel: „Wir waren hier!“ Jetzt wollte ich auch noch was ranschreiben. Wir verschönerten die Tafel und haben sie zugemacht. Ich hätte zu gern Herrn Schussels Gesicht gesehen, als er am nächsten Morgen im Unterricht die Tafel geöffnet hat.
Man kann sich nicht vorstellen wie wir darüber gelacht haben.
Als Herr Schussel uns allein ließ, hat er übrigens seinen Schlüssel vergessen. Ist ja nichts Neues bei ihm. Angel hat ihn dann versteckt. ;-)
Als unser Schussel dann zurück war, hat er sich aber noch eine halbe Stunde mit uns unterhalten (und aufgeräumt) bis er seinen Schlüssel vermisst hat.
Er hat im Keller mit zwei Schülerinnen versucht aus Angels Notizen schlau zu werden. Er hat versucht die richtigen Konzentrationen von 7 verschiedenen Lösungen zu berechnen, und genau genommen war das umsonst, denn diese Lösungen stehen im Schrank.
Und er ist absolut begeistert von der neuen AG-Gruppe. Leider ist er da der Einzigste. Und er merkt es nicht. Er findet diese Diktatur von Markus super, weil es nach seiner Aussage „funktioniert und keiner beschwert sich“. Ich dagegen sehe, wie sehr die anderen Schüler darunter leiden. Herr Schussel merkt, dass wir beide nicht so begeistert von Markus sind. Er will wissen warum. Wir schweigen. Ich habe beschlossen mich da vollkommen raus zu halten. Wenn die Schüler ein Problem damit haben, sollen sie selbst mit Herr Schussel reden. Außerdem will ich Herrn Schussel kleine heile Welt nicht kaputt machen.

Plötzlich sucht Herr Schussel seinen Schlüssel.
„Scheiße“, sagte er verzweifelt, „jetzt weiß ich auch nicht, ob ich meinen Schlüssel zuletzt hier oben hatte oder ob ich ihn mit runter genommen habe…“
„Wo haben Sie ihn denn zuletzt gesehen?“, versucht Angel ihn auf die Sprünge zu helfen.
Manchmal sind wir echt böse. Aber es ist einfach zu komisch.
Meine Mimik ist für Herrn Schussel ein offenes Buch. Er durchschaut mich bzw. uns sofort. „Sie haben ihn versteckt! Los, geben Sie ihn her!“, sagt er und hält mir fordernd seine Hand entgegen. Aber diesmal habe ich ihn nicht. Angel gibt ihm seinen Schlüssel zurück und wir brechen beide in Lachen aus. Wir hätten ihn auch nicht lange danach suchen lassen, nur so ein bisschen… Angel hatte den Schlüssel aber immerhin 30 Minuten in der Hand gehalten, dass Herr Schussel das nicht gesehen hat, wundert mich schon. Später gingen wir drei runter in ein Vorbereitungszimmer. Herr Schussel möchte Angel noch ein altes Lehrbuch geben.
„Das Ernährungslehre-Buch ist sowieso ein halbes Kochbuch“, sagt Angel.
Herr Schussel ist wohl etwas verwirrt: „Wer hat das gesagt?“.
Ich schaue ihn irritiert an. „Na Angel!...Oder hören Sie noch andere Stimmen?“

Danach sind wir Herrn Schussel bis zum Lehrerzimmer hinterhergedackelt.
Er packte seine Sachen zusammen und hat sein Pausenbrot in den Müll geworfen.
„Erzählen Sie das bitte nicht meiner Frau!“ - „Was denn?“ Ich war gedanklich gerade weg. „Gut, sie hat es nicht mitbekommen.“ Angel lacht. „Aber iiich! Herr Schussel, was bekomme ich jetzt dafür, dass ich es ihr nicht sage?“
So ging das noch eine Weile hin und her, Herr Schussel hat dann noch eine geraucht und wir drei haben uns voneinander verabschiedet.

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