Sonntag, 13. November 2011

Schulalltag

Ich komme 15 Minuten vor der ersten Stunde in die Schule. Die Schulleiterin kommt auf mich zu und fragt, ob ich die 9. Klasse die ersten beiden Stunden in Deutsch beaufsichtigen könnte. Klar, kein Problem.
Die eine Hälfte der Klasse ist im Informatikzimmer und sucht etwas aus dem Internet. Ich sitze mit der anderen Hälfte im Klassenzimmer und schaue zu, wie sie sich Notizen zu Lessings Leben machen. Die Schulleiterin muss irgendwas erledigen und hat mich mit der 9. allein gelassen.
Die Schüler sollen sich nur das Wichtigste aus der dreiseitigen Kopie herausschreiben.
Ein Schüler ist nach kurzer Zeit fertig. Er hat die Aufgabe sehr minimalistisch erledigt und sich ganze 5 Stichpunkte gemacht. Ich schaue sie mir an und weise ihn auf ein paar weiter Dinge aus Lessings Leben hin. Einsichtig macht er sich weitere Notizen.
Für Deutsch kann ich mich überhaupt kein bisschen begeistern. Aber da muss ich jetzt durch.
Dafür arbeiten die Schüler vorbildlich, ich bin doch sehr positiv überrascht.
Nach einer halben Stunde kommt die Schulleiterin wieder und holt die Gruppe aus dem Informatikzimmer zu uns und der Rest geht mit mir an die Laptops.

„Frau Susi-q, was sollen wir jetzt machen?“
Gute Frage. Ich gehe schnell zurück und frage nach.
Ich wiederhole die Aufgabe.
„Können Sie das bitte anschreiben?“
Meinetwegen. Die Schüler sollen herausfinden, wann die Epoche der Aufklärung war, welche Ziele es gab, wie sie sich entwickelt hat und wie man Lessing in diese Zeit einordnen kann.
Während die Schüler suchen, stelle ich mich ganz hinten hin, um eine gute Sicht auf die Bildschirme zu haben. 15 Minuten lang arbeiten sie still vor sich hin.
Dann bemerke ich wie ein Junge in der ersten Reihe sich auf anderen Seiten herumtreibt.
Ich laufe zu ihm: „Bist du schon fertig?“
Er bejaht und zeigt mir seine Aufzeichnungen.
Ganz zufrieden bin ich noch nicht. „Die Aufklärung war in der frühen Neuzeit. Aha. Und welches Jahrhundert ist das jetzt genau?“
„Jaaa…ok“, sagt er und sucht noch mal auf Google.
Ich schaue weiter. Zwei Jungs schauen Videos auf youtube.
„Jungs, das sieht aber nicht aus wie Lessing.“
„Das ist seine Tochter!“
Natürlich. Ähnelt eher Lady Gaga, aber egal. Sie schließen die Seiten und arbeiten weiter.
Ich gehe nach hinten und bemerke wie sich David auf einem sozialen Netzwerk herumtreibt.
David finde ich süß. Er ist relativ klein für sein Alter und mit seinen langen blonden Haaren sieht er richtig knuffig aus. ^^
Trotzdem ermahne ich ihn. Er schließt die Seite, dreht sich zu mir um und schaut mich ganz unschuldig an.
Max scheint auch schon fertig zu sein und unterhält sich mit seinen Mitschülern.
Ich werfe einen Blick auf seine Notizen.
„Max, wann war denn die Aufklärung?“
„7. Klasse. Biologie“, antwortet er mir trocken.
Ich: „Such mal bei Google.“
Er tippt Aufklärung bei Google ein und will schon den ersten Treffer anklicken (Wikipedia).
„Stopp! Scrolle mal runter…da, der dritter Link. Und jetzt aufschreiben.“ Hinter dem 3. Link steht die exakte zeitliche Einordnung.
Ich gehe weiter. Ein Junge in der letzten Reihe meldet sich. Ich setze mich neben ihm auf einen Stuhl und schaue mir seine Notizen an. Sieht wirklich gut aus. Ich weise ihn auf die Zusammenhänge hin. Er ist schlau und hat es schnell kapiert. Die Aufgabe hat er erledigt, aber er hat noch 5 Minuten Zeit. Spontan entschließe ich mich ihm eine extra Aufgabe zu geben. „Such mal bei Google nach Kant + Aufklärung.“
„Was ist Kant?“
„Ein Mensch.“ =)
Er hat eine passende Seite gefunden und ich zeige ihm Kant’s Wahlspruch. Schadet ihm ja nicht, wenn er es mal gehört hat.
Frau Schmidt, meine ehemalige Deutschlehrerin, wäre in dem Moment bestimmt total stolz auf mich. Wir haben das so oft besprochen, ich kann es nicht schon nicht mehr hören.
Aber das hat schon Spaß gemacht mit der Klasse. Die haben sich aber auch anständig benommen.

Um auch mal anderen Unterricht mit zu sehen, habe ich mich entschlossen nach der Frühstückspause mit zu Physik zu gehen.
Herr M. kommt ins Lehrerzimmer und holt seine Sachen.
Ich: „Herr M., ich komme jetzt mit zu Ihnen.“
Er zuckt kurz mit den Schultern. Dann schaut er mich an und
zwinkert mir zu: „Und? Wo gehen wir hin?“ XD

Im Lehrerzimmer in der Pause:
Frau P.: „Also Frau E., die Samantha aus der 8. saß gerade in meinem Unterricht und hat die ganze Zeit mit ihrem Handy gespielt…“
Frau E. meint darauf dezent ironisch: „Wie? Und da hast du sie dabei gestört?! Frau P., deine Schüler könnten es so schön haben, wenn du sie nicht ständig mit irgendwas nerven würdest.“

Ich begleite Frau E. zum Englischunterricht in die 8. Klasse. Oskar hat gute Laune und kommt mit. Er legt sich im im Klassenzimmer vor die Tür oder neben das Lehrerpult und schläft. Wenn die Schüler zu laut sind, ist er allerdings schnell genervt und haut ab.
Frau E. hat mal wieder etwas vergessen und läuft noch mal ins Lehrerzimmer. Die Schüler haben inzwischen eine Aufgabe bekommen und arbeiten auch daran.
Nach einer halben Stunde Unterricht klingelt Philips Handy. Seine Mama ruft an, weil sie vor der Schule auf ihn wartet. Sie ist extra hergekommen, um ihm die Hausaufgabe vorbei zu bringen, die er zu Hause vergessen hat. Er läuft schnell runter.
Das wäre meinen Eltern nicht mal im Traum eingefallen.
Ich beobachte Samantha, die mir schon in Physik aufgefallen ist. Sie hat die ganze Stunde wirklich nur gestört und genervt. Selbst ihre Mitschüler haben sich schon zu ihr umgedreht und sich beschwert. Der Physiklehrer hat ihr Verhalten konsequent ignoriert.
Jetzt beobachte ich Samantha in Englisch. Sie verhält sich unauffällig und arbeitet interessiert mit. Wie macht Frau E. das nur?? Natürlich frage ich sie.
Frau E.: „Ich begegne den Schülern immer mit Respekt und zeige ihnen, dass ich sie schätze. Aber ich mache auch deutlich, was ich von ihnen erwarte und dann arbeiten sie fast schon freiwillig, weil sie sich beweisen wollen.“
Frau E. hat es einfach drauf.


Zur Mittagspause durfte ich die Kinder auf dem Schulhof beaufsichtigen.
Es waren aber nur die 5., 6. und 9. Klasse.
Ein paar Mädchen malen mit Sraßenkreide auf dem Parkplatz.
Ein Mädchen erzäht mir: „Bei uns da war mal so eine Baustelle und da konnten die Autos nicht mehr durch die Straße fahren und dann haben wir die Straße bemalt.“
„Das ist doch schön.“ Wie oft ich früher auf den Straßen gemalt habe…
„Ja, aber ganz viele Leute haben mit uns geschimpft.“
Leute gibt’s… Lasst die Kinder doch Kinder sein und die Straße bemalen.

Die Jungs können sich normalerweise auf dem Schulhof super beschäftigen: es gibt eine Tischtennisplatte und einen Fußballplatz. Dummerweise ist der Fußball gestern über das Schulgelände geflogen und eine alte Dame, die das Fußball spielen der Jungs gestört hat, hat den Ball aufgehoben und mit in ihre Wohnung genommen. Und dann öffnete sie ihr Fenster und ruft frech raus: „Na dann sucht mal schön den Ball!“
Es ist ihr auch immer zu laut. Ja, damit muss man rechnen, wenn man direkt neben einer Schule wohnt. Soll sie doch ihr Hörgerät leiser machen.
Über solche Leute kann ich mich echt aufregen. Die Jungs spielen für ihr Leben gern Fußball und ich finde es eine super Pausenbeschäftigung für sie. Da können sie sich wenigstens richtig austoben.
Jetzt fehlt den Jungs allerdings ein Fußball oder eine andere sinnvolle Beschäftigung.
Sie missbrauchen einen leeren, alten Joghurtbecher als Ball und kicken ihn über den Hof.
Können sie von mir aus machen, tut ja niemanden weh.
Ich laufe über den Hof zur 6. Klasse und komme gerade richtig. Alex ist auf einem Baum geklettert und jemand hat ihn geschubst und jetzt hat er Schmerzen in seiner Schulter. War ja eigentlich alles nur Spaaaaß, sagen die Jungs. Große Tränchen rollen Alex übers Gesicht und jetzt bekommen die Anderen ein schlechtes Gewissen. Sie entschuldigen sich und diskutieren, und 10 Minuten später ist die Welt wieder in Ordnung.
Ich schaue wieder zu der 5. Klasse. Die Mädels unterhalten sich übers Schwimmen und möchten gerne von mir begleitet werden. Hach, sind sie süß. Aber nein, ich gehe nicht mit ihnen zum Schwimmen.
Plötzlich höre ich Sarah neben mir sagen: „Naja, wir sind ja alle nicht gerade die Schlankesten.“ Das aus dem Mund einer 10-jährigen. Und die Mädels in der 5. sehen alle völlig normal für ihr Alter aus.
Die Pause ist fast zu Ende und die Jungs haben aufgehört mit ihrem Joghurtbecher-Fußball-Spiel. Nur denkt keiner von ihnen daran, den Becher in den Müll zu werfen.
„Max, mein Lieber, da hinten ist ein Mülleimer, würdest du bitte den Joghurtbecher wegwerfen?“ Max ist auch in der 5. Klasse und ein niedliches Kerlchen. Seine Art ist einfach goldig und ich bin richtig vernarrt in ihn. Jetzt schaut er mich mit seinen großen Kulleraugen ganz erschrocken an: „Bekomme ich jetzt die ganze Schuld alleine???“ Er ist einfach zu süß.
„Neeeiiinnn, aber irgendjemand muss ihn ja wegwerfen.“ Brav hebt er den Becher auf und läuft zum Mülleimer. Ich gehe in den hinteren Teil des Schulhofes und schicke alle Schüler wieder rein zum Unterricht. Ich bin für diesen Tag fertig und fahre nach Hause.

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