Freitag, 28. Januar 2011

Schocktherapie

Den meisten Jugendlichen kann man noch so viel über Datenschutz erzählen - sie nehmen es nicht ernst.
Da hilft nur eine Schocktherapie.

Meine Tante: „Meine Schüler sind den halben Tag im Internet in irgendwelchen sozialen Netzwerken! Ich frage mich, was die dort die ganze Zeit machen.“
Ich: „Schau doch mal nach.“
Sie: „Geht ja nicht, ich bin da nicht angemeldet.“
Ich: „Aber ich.“
Sie könnte ohne Probleme über meinen Account mal nachsehen.
Für einen Moment überlegte sie, dann konnte sie ihre Neugier nicht mehr zurückhalten.

Ich loggte mich ein und stellte meine Einstellungen so um, dass ich für andere „unsichtbar“ bin und mich ihre Schüler nicht identifizieren können. Sehr praktisch.
Meine Tante suchte ihre Schule und stellte überrascht fest, dass mehr als die Hälfte der Schüler angemeldet war. Sie stöberte in dem ein oder anderen Profil ihrer Schützlinge. Es ist unglaublich, was man da alles erfährt.
Ein Schüler schrieb seinem Kumpel ins Gästebuch, dass er sich versehentlich eine Axt ins Bein gehauen hat. Hat sich sehr blutig angehört (bzw. gelesen).
Meine Tante kühl: „Da wird er wohl morgen nicht zur Schule kommen…“

Montag morgen tritt sie vor ihre Schüler und erteilt ihnen eine Lektion fürs Leben.
Sie erzählt, dass sie auf ihren Profilen war, ihre Fotos gesehen hat, im Klassenforum war und auch Gästebucheinträge gelesen hat.
„Das dürfen Sie gar nicht!!!“, protestierten ihre Schüler.
„Klar darf ich das, das ist ein soziales Netzwerk, da darf jeder rein. Es ist öffentlich und für jeden frei zugänglich.“
In den Kleinen ist fast eine Welt zusammengebrochen.
Erst dann ist ihnen klar geworden wie öffentlich es ist. Wie viel sie von sich preisgeben. Die meisten unterschätzen das.
So wie Kevin. Er fühlte sich so sicher, dass er illegal Bilder seiner Lehrer hochgeladen hatte (die während des Unterrichts entstanden sind). Fataler Fehler.

Jetzt haben sie ihre Lektion gelernt und überlegen, was sie im Internet veröffentlichen.

Diese sozialen Netzwerke sind wie die Stasi. Nur freiwillig.
teacher - 28. Jan, 20:21

Super Therapie!
Ich habe etwas Ähnliches mit meinen Fünfzehnjährigen gemacht. In einer Freistunde haben sie mich und meine eigenen Kinder auf facebook gesucht ... und natürlich gefunden. Ich habe den Spieß dann umgedreht und ihnen gesagt, wer aus der Klasse gerade mit wem etwas laufen hat. Es hat sie nicht gestört, sie haben nichts zu verbergen. Sie leben öffentlich, sie lieben das.

Susi-q - 28. Jan, 21:15

Es wäre sicherlich noch viel effektiver wenn die Eltern sich auf diesen Seiten mal "umsehen" würden...
obwohl die sicher geschockt wären bei manchen Bildern...
aber so ist das meistens auch sehr wirkungsvoll...
ich hätte zu gern die Gesichter ihrer Schüler gesehen...
meistens ist es ja harmlos was dort veröffentlicht wird...
aber die Fotos der Lehrer bzw ihrer Kollegen, die waren schon krass...
Mein ehemaliger Informatiklehrer hat das selbe auch mit uns gemacht...da war ich auch sehr... überrascht...^.^

Meine Profile sind eher kurz und auf meine Fotos haben meist nur meine Freunde zugriff. Und einiges veröffentliche ich erst gar nicht. Und ich habe auch keine 500 Freunde auf Facebook. =)
romeomikezulu - 28. Jan, 21:33

Großartige Lektion!
Hat Freude gemacht, das zu lesen :-).

Susi-q - 28. Jan, 22:19

Für mich war es witzig meine Tante beim "Stöbern" zu beobachten. Bei vielen Schülern stand unter "Hassfach" Deutsch, welches meine liebe Tante zufällig unterrichtet. =)
Aber es gab auch Schüler, bei denen Deutsch als Lieblingsfach stand. Da ging ihr Lehrerherz auf. Süß.
Und es war für sie interessant zu lesen, was ihre Schüler für Hobbies haben und so...aber bei der Rechtschreibung hat sie Kopfschmerzen bekommen...^^

Herzlichen Dank! Ich habe so viele Ideen was ich schreiben will und ständig werde ich inspiriert...mir fehlt nur meistens die Zeit zum Schreiben. Aber da kommen auf jeden Fall noch einige Beiträge!
teacher - 30. Jan, 10:18

Die facebook-Macher sagen ja: "Leute, die Zeit des persönlichen Datenschutzes ist vorbei, wir leben in einer modernen, offenen, transparenten Zeit." ... und sie verdienen an dieser verlogenen Selbstdarstellung prächtig.

Susi-q, wie sehen denn deine Mitschülerinnen diese Offenheit? Sind sie denn wirklich stolz auf ihre besoffenen Geschichten, auf ihre schrägen Bilder, auf eine proletenhafte Selbstdarstellung?

Susi-q - 1. Feb, 21:18

Also weder von mir noch von meinen Freunden gibt es schräge Bilder im Netz. Meine Freunde und ich sind da nicht so übertrieben. Wenn ich Alkohol trinke, dann in Maßen und ab einem bestimmten Zeitpunkt höre ich auf und trinke nur noch Wasser oder andere Getränke, weil es mir reicht. Ich höre eigentlich automatisch auf Alkohol zu trinken, ich kann mir echt nicht vorstellen mich selbst ins Koma zu saufen...oder zumindest richtig voll laufen zu lassen.
Meine Mitschülerinnen sehen das sicherlich so wie ich. Ich habe sie auch noch nie besoffen gesehen oder gehört, dass sie dicht waren.
Ich kann nicht verstehen, dass manche Jugendliche auf sowas stolz sein sollen und erklären kann ich es mir auch nicht.
Angel (Gast) - 31. Jan, 17:49

Ich bin nur in einem einzigen der Portale und schreibe in meinem Profil auch nur das was ich wirklich vertreten kann und wofür ich mich nicht schämen muss.
Gott sei Dank bin ich niemand der sich zu laufen lässt. Alkohol ja gerne, aber Filmriss nein danke.
Daher kann ich auch garantieren das von mir nicht solche Fotos erscheinen werden. Wenn Kollegen oder Freunde von mir das tun ist es ihre Sache.
Hauptsächliche bin ich ja auch dort angemeldet um mit alten klassenkameraden in kontakt zu bleiben.

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