Dienstag, 15. Januar 2013

Alltagsfrust

Herr Schussel zieht seine Jacke an und sieht mich hoffnungsvoll an. "Kommen Sie mit raus?"
2 Minuten später stehen wir außerhalb des Schulgeländes und Herr Schussel zündet sich eine Zigarette an. Ich habe die leise Vermutung, dass ihm etwas auf dem Herzen liegt.
"Ich mag meine Klasse nicht", gesteht er mir sofort.
"Und warum?"
"Ich habe letztens eine LK geschrieben. Und ich sagte, sie dürfen ihren Taschenrechner verwenden." Der Taschenrechner ist programmierbar, also ein legaler Spickzettel. Ich habe ihn gehasst. Und weiterverkauft.
"Sie haben gesagt, sie wussten das nicht. Da habe ich ihnen erlaubt, den Hefter zu verwenden."
LK mit Hefter? Wie nett ist das denn?
"Und die LK ist immer noch schlecht ausgefallen. Sogar so schlecht, dass ich nur von denen die Noten eingetragen habe, die das auch wollten. Und danach haben die immer noch gemeckert! Was soll ich denn noch machen?"
2 Schülerinnnen aus seiner Klasse kommen auf uns zu und wir wechseln das Thema.

"Die neuen Abiturprüfungen sind richtig blöd. Die Schüler müssen sich alles in den TR einspeichern. So sind die Abi-Prüfungen aufgebaut und entsprechend blöd sind die Fragen."
Bin ich froh, dass ich den Scheiß hinter mir habe.
"Haben Sie sich damals alles eingespeichert?"
Ich überlege. "Also nicht alles. Aber vieles. Aber auch erst zu den Abi-Prüfungen, vorher nicht."
"Vorher nicht?" Herr Schussel ist ganz erstaunt.
"Nein, da habe ich gelernt. Ich habe ja schließlich auch ein Gehirn." Ist das so überraschend?
"Und haben Sie das am Computer geschrieben?"
"Nein, das ging nicht. Ich habe alles so eingetippt oder von Anderen kopiert." Aber irgendwann hat man so viele Ordner und Unterordner, dass man in der Abi-Prüfung sitzt und nur noch die richtige Datei sucht und völlig überfordert mit allen Informationen ist.

10 Minuten später stehe ich wieder im Lehrerzimmer. Herr Schussel schaut nach seinen Schülern und ich warte auf Frau Herz. Die 8.Stunde ist vorbei und sie müsste gleich kommen. Als sie ins Lehrerzimmer kommt, ist sie nichtmal überrascht mich zu sehen. Scheinbar gehöre ich langsam zum Inventar der Schule. Sie freut sich richtig sehr mich zu sehen und ich mich ebenfalls. Ich vermisse sie sehr.
Sie sagt, es geht ihr gut. Aber sie ist überarbeitet. Sie hat seit den Herbstferien kein freies Wochenende mehr gehabt. Sie muss jeden Tag korrigieren, aber sie sieht jetzt ein Licht am Horizont. Wir schweigen für ein paar Sekunden. In dem Moment betritt Herr Schussel wieder das Lehrerzimmer. "Na das ist ja ein angeregtes Gespräch…"
"Als wir Ihre Schritte gehört haben, haben wir gleich aufgehört zu reden", lüge ich fröhlich.
"Ja", stimmt mir Frau Herz zu, "als wir gehört haben, dass du kommst, haben wir aufgehört über dich zu lästern." Fau Herz lacht ihr herzliches Frau Herz Lachen, dass ich so liebe.
Herr Schussel setzt sich wieder an den Tisch. Ich kann dem Gespräch zwischen den Beiden nicht ganz folgen. Herr Schussel ärgert sich wiedermal über einen Kollegen. Ich weiß nicht, von wem die Rede ist und ich frage auch nicht. Es geht mich ja auch nichts an. Herr Schussel sitzt ganz ruhig am Tisch und sagt kein Wort mehr. Ich schaue ihn an. Gleich explodiert er vor Wut. Und tatsächlich. Ich habe ihn noch nie so erlebt. Dass er so über einen Kollegen redet. Da muss ziemlich viel vorgefallen sein zwischen den Beiden. Es macht mich traurig zu sehen, wie viel Frust es bei ihnen im Lehrerzimmer gibt.
Fortsetzung folgt...

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